Der Hirte
An weiten Flussufern und auf saftiggrünen Wiesen kann man sie hin und wieder beobachten – Schafherden. Manchmal sind sie auch heute noch in Begleitung eines Hirten unterwegs. Vielleicht ist es der Seltenheit dieses Motivs geschuldet, dass man dieses idyllische Bild heute auf Postkarten druckt. Es vermittelt ein heimatliches Gefühl und wirkt beruhigend. Da klingt es für uns sicher erst einmal widersprüchlich, wenn wir im Johannesevangelium von Jesus lesen:
„Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte opfert sein Leben für die Schafe.“ (Joh 10,11)
Zu Jesu Zeiten lungerten noch wilde Tiere oder Diebesbanden den Herden auf, um sie zu töten oder sie ihrem Besitzer wegzunehmen. Das wildeste Tier, das dir heute noch begegnet ist vielleicht der Langhaardackel deiner Nachbarn oder die faule Perserkatze deiner Großmutter. Und Diebe interessieren sich heute mehr für Autoradios oder Navigationssysteme als für Schafe. Wozu brauch die Schafherde Jesu also heute noch einen Hirten, der bereit ist sein Leben für sie zu opfern?
Bei den Schafen handelt es sich natürlich nicht um Tiere, die willenlos ihrem Instinkt folgen. Jesus redet in einem Bild. Jesu Schafherde sind die Menschen. Zu dieser Herde darfst auch du – genau du vor deinem Bildschirm – gehören. Und du brauchst einen Hirten, der etwas von seinem Handwerk versteht. Aber Jesus macht nicht nur einfach einen guten Job. Er sagt einmal: „Die größte Liebe beweist der, der sein Leben für die Freunde hingibt.“(Joh 15,13) Er liebt seine Arbeit als Hirte. Er liebt seine Schafe – und dich ganz besonders – mehr als sein Leben.
Doch wofür das alles? Schauen wir uns aufmerksam in unserer Welt um, dann sehen wir, dass auch die frommsten Menschen an schweren Krankheiten leiden. Dass es in den besten Familien zu Streit kommt. Dass kleine, unschuldige Kinder verhungern. Die Menschen sind weiterhin tödlichen Gefahren ausgesetzt. Hat also der Hirte versagt? Hat sein Tod am Kreuz für uns gar nichts bewirkt? Ist er deshalb gar kein guter Hirte?
Jesu Liebe geht über das kurze Leben in einer von Egoismus und Willkür regierten Welt hinaus. Unsere alltäglichen Nöte, unsere Ängste und Probleme sind ihm nicht egal. Auch hier kann und will er uns tröstend und helfend beistehen. Aber sein Leben hat er dafür nicht gelassen. Jesus ist am Kreuz gestorben, damit seine Herde ihren größten Feind – den Tod – nicht mehr fürchten muss. Denn seine abgrundtiefe Liebe überstahlt allen Hass, Neid und Streit unter den Menschen. Wir brauchen keine Angst mehr vor einem zornigen Gott haben, sondern dürfen für immer mit ihm in Frieden leben, über den Tod hinaus.
Wenn du also demnächst wieder einmal eine Schafherde mit ihrem Hirten sehen solltest, dann genieße ruhig den Moment und denke doch auch an deinen Hirten Jesus Christus, der bereit war aus Liebe zu dir sein Leben zu opfern.